Suizide von Gefangenen in Deutschland 2000 bis 2010
Niemand nimmt sich gern das Leben!Was Gefangene bewogen haben könnte, dies dennoch zu tun, war im Jahr 2005 Anlass für den niedersächsischen Kriminologischen Dienst, Daten über alle Suizidenten zu erheben, die sich im Zeitraum 2000 bis 2004 in Haft getötet hatten. Inzwischen hat sich daraus eine noch andauernde bundesweite Totalerhebung entwickelt. Der für die Erfassung dieser Daten erstellte Fragebogen (s. Anhang) ist ab dem Jahr 2005 um einige Items erweitert worden. Der Kriminologische Dienst erhält derzeit über jeden Suizid einen in den betroffenen Justizvollzugsanstalten ausgefüllten Fragebogen, der Daten zur Kriminalität und zum Haftverlauf, zu psychischen Beeinträchtigungen und zum Suizidgeschehen erfasst.
Im folgenden Bericht wird die Auswertung von Daten über 907 Suizide von Gefangenen - 884 Männer und 23 Frauen - vorgestellt, die sich im Zeitraum 2000 bis 2010 getötet haben. Die Anzahl der Suizide pro Jahr hat sich von 117 im Jahr 2000 auf fast die Hälfte - 61 im Jahr 2010 - reduziert.
Die Gruppe der nichtdeutschen Suizidenten entspricht mit einem Anteil von 24 Prozent an der Suizid-Gesamt-Gruppe (SGG) in etwa dem Anteil nichtdeutscher Strafgefangener an der Gesamtpopulation der Strafgefangenen. Der jüngste Suizident war 15, der älteste 80 Jahre alt. Mehr als die Hälfte der SGG war zum Suizidzeitpunkt noch in Untersuchungshaft und nur 3 Prozent (n=28, nur Männer) im offenen Vollzug untergebracht. Sowohl für männliche als auch für weibliche Gefangene betragen die Suizidziffern in Untersuchungshaft für den genannten Zeitraum das Fünffache der Suizidziffern in Strafhaft. In vielen Fällen wurde der Suizid kurze Zeit nach der Inhaftierung vollzogen: 118 Gefangene (13 % der SGG) töteten sich bereits innerhalb der ersten drei Tage nach Zugang in der Haftanstalt. Die Haftzeit von weiblichen Inhaftierten war deutlich kürzer als die von männlichen: Mit 11 Frauen haben sich fast 50 Prozent der Gruppe der Suizidentinnen und mit 255 Männern 28 Prozent der Suizidenten vor Ablauf eines Haftmonats getötet. Die Gruppe der Suizidenten, die wegen eines Tötungsdelikts angeklagt oder verurteilt worden war (21 % der SGG), befand sich im Vergleich zur SGG häufiger zum ersten Mal in Haft und bedarf schon wegen des relativ hohen Anteils an der SGG besondere Beachtung. Weibliche Suizidenten waren häufiger mit einem Tötungsdelikt in Erscheinung getreten als männliche (30 % der Suizidentinnen ggü. 21 % der Suizidenten).
Die Tötung durch Erhängen wurde in Haft am häufigsten angewandt. Während sich in Freiheit ca. die Hälfte der Gruppe männlicher und ein Drittel der Gruppe weiblicher Suizidenten durch Erhängen töten, waren es in Haft 90 Prozent der männlichen und 87 Prozent der weiblichen Suizidenten. Die meisten Gefangenen (69 % der SGG) waren zum Suizidzeitpunkt in einer Einzelzelle untergebracht. Dort wurden die Suizide am häufigsten in der Nacht vollzogen, während sich Gefangene, die gemeinschaftlich untergebracht waren, eher tagsüber getötet hatten. Von 2005 4 2010 waren 51 Suizidenten (von n=429) während der aktuellen Vollstreckung im besonders gesicherten Haftraum untergebracht worden. Auch wenn die Betroffenen nicht mehr dazu befragt werden können, stellt sich die Frage, ob diese Art der Unterbringung Suizide gefördert oder verhindert hat (s. Kap. 4.4).
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Frau Nicole Neumann (geb. Ansorge)
Bildungsinstitut des niedersächsischen Justizvollzuges
Fachbereich Gesundheit und Beratung
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Tel: 0 51 41 / 59 39 - 402